Deine Eigene Gefühlslandkarte: Gefühle und Maschengefühle - Nutze deine Emotionen zur Problemlösung 

Kennst Du das? Vor Trauer zu weinen ist für dich kein Problem, aber deinem Ärger Ausdruck zu verleihen fällt dir schwer? Oder umgekehrt? Du kannst deinem Ärger gut Luft machen, aber Tränen zu zeigen ist nicht dein Ding? In diesem Artikel geht es um Gefühle und Gefühlsmaschen. Das Konzept der Transaktionsanalyse zeigt, wie Menschen ihre ursprünglichen Gefühle durch Maschengefühle ersetzen.


 

1. Was ist (d)eine Masche?

Stell dir vor, du bist unterwegs, um noch schnell etwas einzukaufen. Deine Verwandten kommen und du hast nichts Essbares zuhause. Es ist schon spät, weil du so lange arbeiten musstest, und der Laden schließt gleich. Als du mit deinen Einkäufen an der Kasse stehst, stellst du fest, dass du deinen Geldbeutel vergessen hast, und so musst du den Laden ohne deine Einkäufe verlassen. 

Maschen und Gefühle

Was fühlst du in dieser Situation? Nimm dir kurz Zeit, um dich darin hineinzuversetzen. Welche Gefühle werden ausgelöst?

Deine persönliche emotionale Reaktion ist für dich selbstverständlich. Jedoch erlebt jeder Mensch die Situation anders und reagiert dementsprechend. So haben fünf Menschen je eine unterschiedliche Reaktion auf die Situation. In unserem Beispiel könnte das so aussehen:

  1. sauer werden auf die Kassiererin;
  2. sauer werden auf sich selbst;
  3. Angst bekommen;
  4. Schuldgefühle entwickeln;
  5. traurig werden.

Es ist wahrscheinlich, dass du dich, so wie du dich in dieser Situation fühlst, auch in anderen stressigen Situationen fühlst. Diese Emotion wird in der Transaktionsanlyse (mehr darüber erfährst du hier) als Gefühlsmasche bezeichnet. Das dazugehörige Verhalten ist deine Masche. 

Eine Masche (engl. Racket) ist eine verinnerlichte Verhaltensweise, die wir unbewusst abspulen. Für bestimmte, ähnliche Situationen haben wir ein festgelegtes Verhaltensmuster, auf das wir einfach zurückgreifen können. Zum Beispiel reagieren einige Menschen in stressigen Situationen immer auf eine aggressive Art. 

Das aus einer Masche resultierende Gefühl wird als Maschengefühl (Racketgefühl) bezeichnet. Ein Maschengefühl ist eine vertraute Verstimmung, man könnte auch sagen, ein Lieblings- oder Ersatzgefühl.

Maschengefühle bieten jedoch keine angemessene Reaktion auf die gegenwärtige Situation, sondern gleichen einem einstudierten Gefühlsmuster, auf das zurückgegriffen werden kann. Egal ob es zur Situation passt oder nicht. 

Maschengefühle, die von Erwachsenen zum Ausdruck gebracht werden, passen häufig nicht mehr zur gegenwärtigen Situation und bringen deswegen unbefriedigende Ergebnisse hervor. 

Als Nächstes schauen wir uns an, woher Maschengefühl kommen: 


Transaktionsanalyse kompakt erklärt
  • alles, was du über TA wissen musst
  • Für die Praxis geschrieben
  • Schnell und leicht zu lesen

2. Herkunft von Maschengefühlen

Maschengefühle wurden aufgrund des Vorbilds von Bezugspersonen in der Kindheit entwickelt. In vielen Familien gibt es eine beschränkte Anzahl von zugelassenen Gefühlen und einen Bereich von Gefühlen, der unerwünscht oder gar verboten ist. 

Kinder orientieren sich an diesen unerwünschten und erwünschten Gefühlen und passen dem ihre Gefühlswelt an. Erlebt ein Kind ein in seiner Familie verbotenes Gefühl, wechselt es klugerweise stattdessen in ein erlaubtes Ersatzgefühl. Dieses Ersatzgefühl überdeckt dann das eigentliche Gefühl. 

Erlaubte Gefühle können innerhalb der Familie bei Jungen und Mädchen verschieden sein. Während der Sohn von den Eltern für sein aggressives Verhalten gelobt wird, wird seine Schwester dafür bestraft. 

Kinder neigen dazu, ein Lieblingsgefühl zu entwickeln. Dies ist das Gefühl, das bei den Bezugspersonen am meisten Aufmerksamkeit bekommt. Das Lieblingsgefühl bleibt bis in das Erwachsenenalter bestehen und ist die am häufigsten erlebte Emotion. 


3. Payback-Punkte für Gefühle

Anstatt ein Maschengefühl sofort auszudrücken, kann man es auch aufstauen und für den späteren Gebrauch aufbewahren. Man beginnt sie zu sammeln, wie damals Rabattmarken. Heute kannst du das mit Payback-Punkten vergleichen. Jedoch handelt es sich um eine Sammlung negativer Gefühle wie zum Beispiel angestauter Ärger. 

Maschen und Gefühle

Während man Rabattmarken gegen Preise wie eine Pfanne eintauscht, tauscht man angestaute Maschengefühle meist gegen negative Handlungen wie zum Beispiel:

  • einen größeren Streit mit einem Elternteil vom Zaun zu brechen;
  • eine Freundschaft zu kündigen;
  • seinen Partner zu schlagen;
  • oder eine Vase zu zerschmeißen.

Man kann dabei wenige Marken gegen einen „kleinen Preis“ eintauschen und viele Marken gegen einen „großen Preis“. Leider sind die Preise negativer Natur. Die “Gewinne” können harmlos sein, aber auch ernsthafte Folgen nach sich ziehen. 

Die auf das Eintauschen folgende Handlung ist meistens für die Situation im Hier und Jetzt nicht angemessen. Die Auslöse-Situation ist “der Tropfen, der das Fass zum überlaufen bringt”. Dazu zwei Beispiele:

  • Eine Lehrerin zeigt gegenüber ihren Schülern ihren Ärger nicht und staut ihn an. Abends schreit sie dann ihr eigenes Kind wegen einer Kleinigkeit an. (Verschiebung des angestauten Ärgers)
  • Er reagiert nicht, wenn seine Freundin etwas an ihm auszusetzen hat, sondern speichert seinen Ärger. Als sie dann später über einen Fleck auf seinem Hemd meckert, tauscht er seine gesammelten Punkte gegen mehrere Tage "Beleidigtsein".   

Du kannst dich aktiv dafür entscheiden, deine Rabattmarken-Sammlung zu zerstören. Das hat den Vorteil, dass du in Situationen angemessen reagierst und nicht altem Ärger oder Frust Ausdruck verleihen musst. Stattdessen kannst du versuchen, in Situationen, die Anlass zu unguten Gefühlen geben, sinnvoll mit ihnen umzugehen, oder sie zukünftig meiden. 

Du kannst dich auch entscheiden, zukünftig keine Marken mehr zu sammeln, und zum Beispiel deinem Ärger dann Ausdruck verleihen, wenn du ihn spürst. Du kannst dir auch erlauben, häufiger mal deine Unwohlgefühle mitzuteilen. Auch wenn sich das etwas kleinlich für dich anfühlt: Lieber kleinlich sein als einen Gefühlsstau verursachen!



4. Problemlösung durch echte Gefühle 

Maschengefühle überdecken immer ein ursprüngliches Gefühl und sind, betrachtet man die Situation im Hier und Jetzt, nicht angemessen. Sie bergen kein Potenzial zur Problemlösung. 

Zu den ursprünglichen Gefühlen gehören Wut, Trauer, Angst, Freude. Sie werden auch als authentische Gefühle im Sinne von „der Situation angemessenen Gefühle“ bezeichnet.

Maschen und Gefühle

Nur authentische Gefühle bergen Potential zur Problemlösung im Hier und Jetzt:

  • Angst schützt vor Gefahren in der Zukunft.
  • Wut sorgt für Veränderung im Hier und Jetzt.
  • Trauer hilft, von etwas Vergangenem Abschied zu nehmen.
  • Echte Freude signalisiert, dass keine Änderung nötig ist.

Die Unterscheidung zwischen authentischen Gefühlen und Maschengefühlen kann herausfordernd sein. Man kann Maschenwut empfinden, aber auch authentische Wut. Mehr über Maschengefühle erfährst du in unserem Grundkurs: 


Transaktionsanalyse wirklich lernen: Ganz einfach online! 

- 12 Video-Module mit ansprechendem Workbook

- Günstiger & mehr Wissen als jedes Wochenendseminar

- Flexibel lernen ohne Zeitdruck

5. Schluss mit Ersatzgefühlen - Jetzt wird gefühlt!

Ein Maschengefühl kannst du unter anderem daran erkennen, dass es zeitlich nicht zu authentischen Gefühlen passt. Eine Klientin kündigte beispielsweise ihren Job und bekam tolles Feedback von ihren Kollegen: “Du hast immer 250% gegeben!” Darüber ärgerte sie sich, weil sie zu der Erkenntnis kam, dass sie die letzten Jahre zu viel Energie in ihren Job gesteckt hatte. Doch der Job war vorbei.

Wir wissen, dass Ärger ein auf die Gegenwart bezogenes Gefühl ist. Deswegen kann der Unmut als Maschengefühl betrachtet werden. Ich fragte die Klientin, ob sie hinter dem Ärger vielleicht auch Trauer spüren könnte. Sie bejahte. Denn Trauer ist auf die Vergangenheit bezogen und hilft der Klientin in ihrer Situation, die verschwendete Energie zu bereuen und zukünftig etwas anders zu gestalten.

Wenn du bemerkst, dass du gerade ein Maschengefühl erlebst, kannst du dich fragen, welches Gefühl darunter liegt und statt des Maschengefühls angemessen wäre. 

Darüber hinaus ist es hilfreich sein “Lieblingsgefühl” zu kennen. Hat man es identifiziert, kann man es, sobald es auftritt, hinterfragen und so herausfinden, ob es angemessen ist oder nicht. Wenn du merkst, dass das Gefühl aufsteigt, kannst du dich fragen: 

"Ist das Gefühl in dieser Situation nützlich?"

Die Nützlichkeit kannst du zunächst auch daran festmachen, ob das Gefühl im richtigen zeitlichen Bezug auftritt.

  1. Ärger in der Gegenwart
  2. Angst vor der Zukunft
  3. Trauer für die Vergangenheit

Falls nicht, schaue, welches Gefühl angebracht wäre und spüre nach, ob es vorhanden ist und ob es durch ein Ersatzgefühl überlagert wurde. Außerdem kannst du schauen, was du in der gegenwärtigen Situation tun kannst, um eine Lösung herbeizuführen.

Hilfreich dabei ist das Gelassenheitsgebet:

Gib mir die Gelassenheit, Dinge hinzunehmen, die ich nicht ändern kann, den Mut, Dinge zu ändern, die ich ändern kann, und die Weisheit, das eine vom anderen zu unterscheiden.

Zum Schluss kannst du nun nochmal auf die Einkaufssituation vom Anfang schauen. 

  1. War dein Gefühl/ deine Reaktion in der Situation angemessen? 
  2. Wenn nicht: Welches Gefühl liegt unter deinem Maschengefühl? Wie würde eine angemessene Reaktion aussehen? 


Über den Autor: Steffen Raebricht 

Gründer von TA+

Transaktionsanalyse-Trainer, Selbstständig, Universitäts-Dozent (UT-Dallas), Trainer, Coach, Autor, Imker

Hier erfährst du mehr über Steffen

>
Success message!
Warning message!
Error message!